Aufgrund der Coronapandemie wurde der Haushalt der Stadt Ochtrup erst im Frühjahr 2021 für das Jahr 2021 verabschiedet.
Deshalb gibt es keine Haushaltsrede für das Jahr 2020.
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
liebe
Kolleginnen und Kollegen,
sehr
geehrte Presse,
sehr
geehrte Damen und Herren,
nun ist es auch uns Grünen einmal vergönnt, nicht als letzte in der
Reihe unsere Haushaltsrede zu halten. Glauben Sie mir, dass ist für uns
genauso ungewohnt wie für Sie. An dieser Stelle möchten wir uns noch
einmal bei unseren Wählerinnen und Wählern für ihre tatkräftige
Unterstützung an der Wahlurne bedanken.
Doch nur, weil wir unser
Wahlergebnis mehr als verdoppelt haben, muss dies nicht auch für die
Redezeit gelten. Der deutsche Fernsehmoderator Robert Lembke fragte sich
seinerzeit schon, ob Redner sich darüber klar sind, dass 90% des
Beifalls, den sie beim Zusammenfalten des Manuskripts entgegennehmen,
ein Ausdruck von Erleichterung ist. Dieser Gedanke und
die Tatsache,
dass das meiste schon gesagt wurde, hat uns auch dieses Jahr dazu
motiviert, die Rede so kurz wie möglich zu halten.
2020 gab den Startschuss einer neuen Dekade, der nicht ereignisreicher sein konnte. Die von uns in den Wahnsinn getriebene Welt hat alle Register gezogen, um uns aus unserem schnelllebigen Alltagstrott in eine Phase der Besinnung zu versetzen, in der augenscheinlich nur die Zeit nicht stillsteht.
Auch auf kommunaler Ebene hatten diese Einwirkungen erhebliches Ausmaß. Wir wurden aus unserer Komfortzone gelockt und mussten über uns hinauswachsen, um Kreativität und Einfallsreichtum zu beweisen. Nicht nur, dass unsere Möglichkeiten der politischen Zusammenarbeit auf das Nötigste zusammengeschrumpft sind, wir mussten auch den Wahlkampf so gestalten, dass wir trotz allem den Wähler*innen nahe sein konnten.
Und wo wir gerade von den Wahlen sprechen. Sie haben uns viele neue
Mitstreiter*innen in den Rat und die Ausschüsse gebracht. Das schließt
mich mit ein. Toll, dass ich da bin. Das zeigt mir aber, dass
Kommunalpolitik nicht nur alte Hasen interessiert. Sondern Jetzt haben
wir die Wahl, die neue Legislaturperiode zu nutzen, um Ochtrup weiter
voranzubringen. Von einem grüneren Rat profitieren am Ende alle.
Ich
bin schon darauf gespannt, mich in Zukunft mit dem ein oder anderen
austauschen zu dürfen und die Zusammenarbeit mitzugestalten.
Doch leider wurden im letzten Jahr auch einige Sitzungen abgesagt oder verschoben. Die Lösung, in großen Räumen und Hallen zusammenzukommen, bot uns zwar die Möglichkeit der politischen Zusammenarbeit, jedoch ist hier anzumerken, dass wir sehr weit auseinander sitzen. Wir benötigen schon fast ein Fernglas, um das Minenspiel des politischen Mitstreiters sehen und interpretieren zu können. Ein Ausgleich kann in Zukunft, die Möglichkeit zu den digitalen Informationsveranstaltungen sein, die wo immer es geht, auch genutzt werden sollte.
Das digitale Zeitalter scheint vielleicht in mancher Hinsicht ein
Fluch zu sein, doch segnete es uns auch damit, unsere Arbeit online
fortzusetzen. Leider wird die Gemeindeordnung von unserer Verwaltung
sehr restriktiv interpretiert und trägt so zur Verlangsamung wichtiger
Prozesse bei, um Ochtrup weiterzuentwickeln. Ein Umstand, den wir gerne
anders sehen
würden und an dessen Veränderung wir gerne aktiv mitarbeiten.
Bereits
in der Ratssitzung im Dezember haben wir beantragt, dass neben dem
Streamen von Ratssitzungen auch die Umsetzung von digitalen oder
hybriden Ausschusssitzungen geprüft wird. Gerade jetzt in
Pandemiezeiten, wo alle Kontakte so weit wie möglich reduziert werden
sollen, wäre das eine gute Gelegenheit, hier innovativ voran zu gehen
oder zumindest nicht hinter dem Kreis und anderen Gemeinden wie
Altenberge zurück zu bleiben. Was die können, können wir doch wohl auch.
Auch wenn die Gemeindeordnung hier Grenzen setzt, ist es doch möglich, die Spielräume, die bleiben, auszuschöpfen. Homeoffice, Homeschooling und mobiles Arbeiten ist für viele im letzten Jahr zur Normalität geworden. Arbeitsmeetings, Unterrichtsstunden, Musikunterricht, Fraktionssitzungen, ganze Kirchensynoden und Parteitage finden digital und online statt. Es gibt die Möglichkeit, digital Beschlussempfehlungen abzugeben, die entweder schriftlich oder durch den Haupt- und Finanzausschuss oder den Stadtrat bestätigt werden könnten, damit sie gültig werden.
Und der Einsatz moderner Technik ist nicht nur in der Pandemie zur
Kontaktreduzierung sinnvoll, sondern bietet auch ganz neue
Möglichkeiten, Kommunalpolitik attraktiv und für viele überhaupt erst
möglich zu machen. Nicht jede*r Bürger*in hat Zeit, sich eine ganze
Ratssitzung abends in der Oster anzuschauen. Aber den Stream laufen
lassen und bei den
interessanten Punkten aktiv zuzuschauen, ist viel
leichter, vor allem für Gruppen, die bisher in der Kommunalpolitik
unterrepräsentiert sind, wie beispielsweise junge Eltern oder
Jugendliche und junge Erwachsene. Wenn wir wollen, dass die Politik für
Ochtrup nicht nur von immer den gleichen Menschen gemacht wird, sondern
sich alle Ochtruper*innen einbringen können, dann müssen wir überlegen,
wie wir Hürden und Barrieren abbauen können. Und eine Möglichkeit dazu
sehen wir ganz klar in der Nutzung technischer Möglichkeiten.
Es gab aber auch Erfolge hinsichtlich der Digitalisierung. Der
Glasfaserausbau geht voran und die weißen Flecken werden kleiner. Unsere
Verwaltung ist fleißig damit beschäftigt, dass alle in Ochtrup
mitgenommen werden und keiner ausbleibt. An der Stelle ein herzliches
Dankeschön!
Auch die Schulen haben von ihr profitiert. Wir waren gezwungen, die
Bildungsstätten so schnell wie möglich ans Netz zu bringen, um das
Lernen auch außerhalb des Klassenraums zu ermöglichen. Die ersten
Schritte die die Ochtruper Schulen in diese Richtung unternommen haben,
müssen in dieser Geschwindigkeit und Richtung beibehalten werden. Bei
anderen
Schulprojekten stehen wir noch am Anfang. Beispielsweise
steht noch immer die Frage im Raum, ob wir die Schulen von Langenhorst
und Welbergen zusammenlegen sollen oder ob sie einzeln bestehen bleiben,
damit ihr Charakter nicht verloren geht. Wir sollten dabei vorrangig
auf den Nutzen und nicht auf die Kosten schauen, um einen angemessenen
Ort für unsere Schüler*innen zu schaffen.
Anfang der letzten Legislaturperiode haben wir uns im Rat zusammengesetzt, um unser Stadtmarketing und unseren Tourismus zu bündeln. Entstanden ist dabei die OST, die ihren Kurs aufgenommen hat, um Ochtrup dahingehend zu unterstützen. Auf Initiative von uns Grünen hin, wird sich Ochtrup Fördergelder aus dem „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen 2020“ sichern, damit die OST mit passenden finanziellen Mitteln ausgestattet wird, um unsere Innenstadt für alle Einwohnern*innen wieder attraktiver werden zu lassen.
Auch freut es uns, dass es mit der Feuerwehr weitergeht und die Errichtung der neuen Wache im vollen Gange ist. Auch wenn dies mit hohen Kosten verbunden ist, sind wir doch froh, wenn die freiwillige Feuerwehr bei Notfällen zur Stelle ist. Eine gute Ausstattung ist da selbstverständlich.
Das vergangene Jahr brachte neben den wenigen Sitzungen auch weniger
Geld in die Kassen, als von uns allen vorher angenommen wurde. Dies ist
ein Trend, der sich unabhängig von Corona verstetigt. Wir haben einiges
investiert und damit Vermögen erhalten und aufgebaut – zu nennen sind
hier die inzwischen abgeschlossenen Investitionen in die Marienschule
und
noch laufend die Lambertischule oder den Kreisverkehr an der
Stadthalle und die Feuerwache in Langenhorst. Hierfür gab und gibt es
Zuschüsse und Investitionskredite, doch einen Anteil muss die Stadt auch
beitragen. Dazu kommen andere laufende Ausgaben, so dass die
Bürgermeisterin den Vorschlag gemacht hat, zur strukturellen Stärkung
der Einnahmeseite die Grundsteuer B um 50% zu erhöhen. Wir sind – wie
die FWO – der Meinung, dass wir angesichts der noch anstehenden weiteren
Auf- und Ausgaben – die Stichworte Feuerwache, Rathaus, aber auch
Klimaschutz sind bekannt – eine Stärkung der Einnahmeseite brauchen.
Doch wir wollen die Lasten auf breitere Schultern verteilen und nicht
nur diejenigen mit selbstgenutztem Wohneigentum oder Mieter*innen
belasten. Die Ochtruper Gewerbelandschaft ist stark und unser Hebesatz
liegt unter dem Landes- und auch dem Kreisdurchschnitt. Daher halten wir
den Vorschlag der FWO für angemessen und schließen uns diesem an.
Wo wir gerade beim Thema Finanzen sind. Nichts im Leben gibt es
umsonst- das gilt auch in Bezug auf unsere Kreis- und Jugendamtsumlage.
Die Entscheidung des Kreises vom vergangenen Montag, die coronabedingten
Mehraufwendungen zu isolieren, um zukünftige
Generationen nicht zu
belasten, freut uns sehr. Dadurch ist es möglich, die notwendigen
Steuererhöhungen in Ochtrup entsprechend zu reduzieren.
Ganz auf die Steuererhöhung verzichten könnten wir, wenn wir endlich die Subventionierung des FMO streichen könnten.
Von
den 30 Millionen Euro, die in den nächsten Jahren voraussichtlich
fällig werden, fallen allein auf uns Ochtruper*innen 1,5 Mio. Euro!
Oder sprechen wir über unsinnige und rückwärtsgewandte kreisweite Straßenbauprojekte.
An
der Stelle sei die Westumgehung in Emsdetten genannt. Was wir hier in
Ochtrup mit dieser Straße in Emsdetten zu tun haben? Rechnet man die
Kosten auf, bezahlen wir Ochtruper*innen auch hier über die Kreisumlage
ganz konkret 400.000 Euro. Wir freuen uns, in diesem Sinne darauf,
unterjährig weitere Aufforderungen Ochtruper Parteien an ihre
Kreistagsfraktionen zu lesen.
Aber kommen wir doch mal zum Leib und Magen Thema von uns Grünen, der
Umwelt- und Klimapolitik. Zwar sind die Atommülltransporte durch unsere
Stadt, die Giftmülldeponie und die Nitratbelastung des Grundwassers
durch Gülle Themen, die kommunal nicht vollständig
gelöst werden
können. Aber Ochtrup ist, entgegen anderslautenden Gerüchten, ein Teil
dieser Erde. Diese Themen betreffen also auch uns alle hier als
Bürger*innen dieser Stadt. Was kann denn die Kommunalpolitik hier vor
Ort tun?
Anfangen könnte man, in dem man endlich die Informationen
zum Klimaschutz auf der Website von Ochtrup bereitstellt. So wie es 2017
im Klimaschutzkonzept vereinbart wurde.
Die Verpflichtung zur
Begrünung von Vorgärten sollte stärker kontrolliert werden und die
Anlage in Neubaugebieten verboten werden. Die toten Steinwüsten, die man
überall in Ochtrup vor den Häusern entdecken kann, tragen ihren Teil
zum Insektensterben bei. Dabei sollte nichts einfacher sein, als ein
kleines Stück eines Grundstücks verwildern zu lassen.
Wir brauchen
klimagerechte Sanierungskonzepte für öffentliche Gebäude und eine
Verkehrspolitik, die sich nicht darauf beschränkt, darüber nachzudenken
wie mehr Autos auf dem Ochtruper Stadtgebiet unterwegs sein können.
Nicht umsonst, sind wir davon überzeugt, dass Planungskosten für die
Nordumgehung an anderer Stelle sehr viel besser eingesetzt werden
könnten und haben daher die Streichung beantragt.
Im Hinblick auf den Weinerpark brauchen wir Konzepte für umweltschonende und klimagerechte Gewerbegebiete. Ansonsten werden riesige Flächen unwiederbringlich versiegelt und sind komplett für den Klimaschutz verloren. Und das sind nur einige Beispiele dafür was man auch kommunalpolitisch tun kann. Deswegen haben wir, als ersten Schritt in diese Richtung, eine volle Stelle für das Klimamanagement der Stadt beantragt und werden hartnäckig bleiben, was die Neubesetzung des Postens des Umweltschutzbeauftragten angeht, der sich um die Koordinierung des Umweltschutzes in Ochtrup kümmert. Denn es gilt die Verwaltung für diese essenziellen Aufgaben personell noch besser aufzustellen.
Neben der Umweltpolitik stehen wir auch im sozialen Bereich vor
grundlegenden Fragen. Wie gestaltet sich das Leben, wenn wir uns wieder
freier bewegen und treffen können? Hier kommen mit dem großen Potential,
das sich uns erschließt, auch große Aufgaben auf uns zu.
Des
Weiteren bietet sich ein breites Möglichkeitsspektrum hinsichtlich der
Gestaltung der Integration und Inklusion. Ein Punkt, der auch zukünftig
nicht an Bedeutung verliert.
Daher begrüßen wir es, dass unser Antrag für die Kostenübernahme von Prüfungen bei Integrationskursen auf dem kurzen Dienstweg direkt von der Verwaltung umgesetzt wurde.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass auch politisch noch vieles auf uns zukommen wird.
Doch
vorerst wünsche ich mir, dass das soziale Leben bald wieder Fahrt
aufnimmt. Auf gute Zusammenarbeit und konstruktive Entscheidungen.
Vielen Dank!
Sebastian Schoo (stellvertretender Fraktionsvorsitzender)