Fraktion: Unsere Haushaltsrede 2021

Einmal jährlich debattieren wir Politiker*innen, egal auf welcher Ebene, über den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr.

Die Debatten haben dabei einerseits die Funktion des Controllings, denn überall wo verwaltet wird, muss auch kontrolliert werden. Andererseits bietet es die Chance, politische Schwerpunkte zu setzen. Wo geht welches Geld hin und welche Ziele müssen überprüft werden?

In diesem Rahmen geht es auch um entsprechende Anträge, die die verschiedenen Projekte finanzieren lässt. Die Krönung der Debatten liegen jährlich in den Haushaltsreden der verschiedenen Parteien.

Unsere Haushaltsrede 2021:

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Presse,
sehr geehrte Damen und Herren,

nun ist es auch uns Grünen einmal vergönnt, nicht als letzte in der Reihe unsere Haushaltsrede zu halten. Glauben Sie mir, dass ist für uns genauso ungewohnt wie für Sie. An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal bei unseren Wählerinnen und Wählern für ihre tatkräftige Unterstützung an der Wahlurne bedanken.
Doch nur, weil wir unser Wahlergebnis mehr als verdoppelt haben, muss dies nicht auch für die Redezeit gelten. Der deutsche Fernsehmoderator Robert Lembke fragte sich seinerzeit schon, ob Redner sich darüber klar sind, dass 90% des Beifalls, den sie beim Zusammenfalten des Manuskripts entgegennehmen, ein Ausdruck von Erleichterung ist. Dieser Gedanke und
die Tatsache, dass das meiste schon gesagt wurde, hat uns auch dieses Jahr dazu motiviert, die Rede so kurz wie möglich zu halten.

2020 gab den Startschuss einer neuen Dekade, der nicht ereignisreicher sein konnte. Die von uns in den Wahnsinn getriebene Welt hat alle Register gezogen, um uns aus unserem schnelllebigen Alltagstrott in eine Phase der Besinnung zu versetzen, in der augenscheinlich nur die Zeit nicht stillsteht.

Auch auf kommunaler Ebene hatten diese Einwirkungen erhebliches Ausmaß. Wir wurden aus unserer Komfortzone gelockt und mussten über uns hinauswachsen, um Kreativität und Einfallsreichtum zu beweisen. Nicht nur, dass unsere Möglichkeiten der politischen Zusammenarbeit auf das Nötigste zusammengeschrumpft sind, wir mussten auch den Wahlkampf so gestalten, dass wir trotz allem den Wähler*innen nahe sein konnten.

Und wo wir gerade von den Wahlen sprechen. Sie haben uns viele neue Mitstreiter*innen in den Rat und die Ausschüsse gebracht. Das schließt mich mit ein. Toll, dass ich da bin. Das zeigt mir aber, dass Kommunalpolitik nicht nur alte Hasen interessiert. Sondern Jetzt haben wir die Wahl, die neue Legislaturperiode zu nutzen, um Ochtrup weiter voranzubringen. Von einem grüneren Rat profitieren am Ende alle.
Ich bin schon darauf gespannt, mich in Zukunft mit dem ein oder anderen austauschen zu dürfen und die Zusammenarbeit mitzugestalten.

Doch leider wurden im letzten Jahr auch einige Sitzungen abgesagt oder verschoben. Die Lösung, in großen Räumen und Hallen zusammenzukommen, bot uns zwar die Möglichkeit der politischen Zusammenarbeit, jedoch ist hier anzumerken, dass wir sehr weit auseinander sitzen. Wir benötigen schon fast ein Fernglas, um das Minenspiel des politischen Mitstreiters sehen und interpretieren zu können. Ein Ausgleich kann in Zukunft, die Möglichkeit zu den digitalen Informationsveranstaltungen sein, die wo immer es geht, auch genutzt werden sollte.

Das digitale Zeitalter scheint vielleicht in mancher Hinsicht ein Fluch zu sein, doch segnete es uns auch damit, unsere Arbeit online fortzusetzen. Leider wird die Gemeindeordnung von unserer Verwaltung sehr restriktiv interpretiert und trägt so zur Verlangsamung wichtiger Prozesse bei, um Ochtrup weiterzuentwickeln. Ein Umstand, den wir gerne anders sehen
würden und an dessen Veränderung wir gerne aktiv mitarbeiten.
Bereits in der Ratssitzung im Dezember haben wir beantragt, dass neben dem Streamen von Ratssitzungen auch die Umsetzung von digitalen oder hybriden Ausschusssitzungen geprüft wird. Gerade jetzt in Pandemiezeiten, wo alle Kontakte so weit wie möglich reduziert werden sollen, wäre das eine gute Gelegenheit, hier innovativ voran zu gehen oder zumindest nicht hinter dem Kreis und anderen Gemeinden wie Altenberge zurück zu bleiben. Was die können, können wir doch wohl auch.

Auch wenn die Gemeindeordnung hier Grenzen setzt, ist es doch möglich, die Spielräume, die bleiben, auszuschöpfen. Homeoffice, Homeschooling und mobiles Arbeiten ist für viele im letzten Jahr zur Normalität geworden. Arbeitsmeetings, Unterrichtsstunden, Musikunterricht, Fraktionssitzungen, ganze Kirchensynoden und Parteitage finden digital und online statt. Es gibt die Möglichkeit, digital Beschlussempfehlungen abzugeben, die entweder schriftlich oder durch den Haupt- und Finanzausschuss oder den Stadtrat bestätigt werden könnten, damit sie gültig werden.

Und der Einsatz moderner Technik ist nicht nur in der Pandemie zur Kontaktreduzierung sinnvoll, sondern bietet auch ganz neue Möglichkeiten, Kommunalpolitik attraktiv und für viele überhaupt erst möglich zu machen. Nicht jede*r Bürger*in hat Zeit, sich eine ganze Ratssitzung abends in der Oster anzuschauen. Aber den Stream laufen lassen und bei den
interessanten Punkten aktiv zuzuschauen, ist viel leichter, vor allem für Gruppen, die bisher in der Kommunalpolitik unterrepräsentiert sind, wie beispielsweise junge Eltern oder Jugendliche und junge Erwachsene. Wenn wir wollen, dass die Politik für Ochtrup nicht nur von immer den gleichen Menschen gemacht wird, sondern sich alle Ochtruper*innen einbringen können, dann müssen wir überlegen, wie wir Hürden und Barrieren abbauen können. Und eine Möglichkeit dazu sehen wir ganz klar in der Nutzung technischer Möglichkeiten.

Es gab aber auch Erfolge hinsichtlich der Digitalisierung. Der Glasfaserausbau geht voran und die weißen Flecken werden kleiner. Unsere Verwaltung ist fleißig damit beschäftigt, dass alle in Ochtrup mitgenommen werden und keiner ausbleibt. An der Stelle ein herzliches
Dankeschön!

Auch die Schulen haben von ihr profitiert. Wir waren gezwungen, die Bildungsstätten so schnell wie möglich ans Netz zu bringen, um das Lernen auch außerhalb des Klassenraums zu ermöglichen. Die ersten Schritte die die Ochtruper Schulen in diese Richtung unternommen haben, müssen in dieser Geschwindigkeit und Richtung beibehalten werden. Bei anderen
Schulprojekten stehen wir noch am Anfang. Beispielsweise steht noch immer die Frage im Raum, ob wir die Schulen von Langenhorst und Welbergen zusammenlegen sollen oder ob sie einzeln bestehen bleiben, damit ihr Charakter nicht verloren geht. Wir sollten dabei vorrangig auf den Nutzen und nicht auf die Kosten schauen, um einen angemessenen Ort für unsere Schüler*innen zu schaffen.

Anfang der letzten Legislaturperiode haben wir uns im Rat zusammengesetzt, um unser Stadtmarketing und unseren Tourismus zu bündeln. Entstanden ist dabei die OST, die ihren Kurs aufgenommen hat, um Ochtrup dahingehend zu unterstützen. Auf Initiative von uns Grünen hin, wird sich Ochtrup Fördergelder aus dem „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen 2020“ sichern, damit die OST mit passenden finanziellen Mitteln ausgestattet wird, um unsere Innenstadt für alle Einwohnern*innen wieder attraktiver werden zu lassen.

Auch freut es uns, dass es mit der Feuerwehr weitergeht und die Errichtung der neuen Wache im vollen Gange ist. Auch wenn dies mit hohen Kosten verbunden ist, sind wir doch froh, wenn die freiwillige Feuerwehr bei Notfällen zur Stelle ist. Eine gute Ausstattung ist da selbstverständlich.

Das vergangene Jahr brachte neben den wenigen Sitzungen auch weniger Geld in die Kassen, als von uns allen vorher angenommen wurde. Dies ist ein Trend, der sich unabhängig von Corona verstetigt. Wir haben einiges investiert und damit Vermögen erhalten und aufgebaut – zu nennen sind hier die inzwischen abgeschlossenen Investitionen in die Marienschule und
noch laufend die Lambertischule oder den Kreisverkehr an der Stadthalle und die Feuerwache in Langenhorst. Hierfür gab und gibt es Zuschüsse und Investitionskredite, doch einen Anteil muss die Stadt auch beitragen. Dazu kommen andere laufende Ausgaben, so dass die Bürgermeisterin den Vorschlag gemacht hat, zur strukturellen Stärkung der Einnahmeseite die Grundsteuer B um 50% zu erhöhen. Wir sind – wie die FWO – der Meinung, dass wir angesichts der noch anstehenden weiteren Auf- und Ausgaben – die Stichworte Feuerwache, Rathaus, aber auch Klimaschutz sind bekannt – eine Stärkung der Einnahmeseite brauchen. Doch wir wollen die Lasten auf breitere Schultern verteilen und nicht nur diejenigen mit selbstgenutztem Wohneigentum oder Mieter*innen belasten. Die Ochtruper Gewerbelandschaft ist stark und unser Hebesatz liegt unter dem Landes- und auch dem Kreisdurchschnitt. Daher halten wir den Vorschlag der FWO für angemessen und schließen uns diesem an.

Wo wir gerade beim Thema Finanzen sind. Nichts im Leben gibt es umsonst- das gilt auch in Bezug auf unsere Kreis- und Jugendamtsumlage. Die Entscheidung des Kreises vom vergangenen Montag, die coronabedingten Mehraufwendungen zu isolieren, um zukünftige
Generationen nicht zu belasten, freut uns sehr. Dadurch ist es möglich, die notwendigen Steuererhöhungen in Ochtrup entsprechend zu reduzieren.

Ganz auf die Steuererhöhung verzichten könnten wir, wenn wir endlich die Subventionierung des FMO streichen könnten.
Von den 30 Millionen Euro, die in den nächsten Jahren voraussichtlich fällig werden, fallen allein auf uns Ochtruper*innen 1,5 Mio. Euro!
Oder sprechen wir über unsinnige und rückwärtsgewandte kreisweite Straßenbauprojekte.
An der Stelle sei die Westumgehung in Emsdetten genannt. Was wir hier in Ochtrup mit dieser Straße in Emsdetten zu tun haben? Rechnet man die Kosten auf, bezahlen wir Ochtruper*innen auch hier über die Kreisumlage ganz konkret 400.000 Euro. Wir freuen uns, in diesem Sinne darauf, unterjährig weitere Aufforderungen Ochtruper Parteien an ihre
Kreistagsfraktionen zu lesen.

Aber kommen wir doch mal zum Leib und Magen Thema von uns Grünen, der Umwelt- und Klimapolitik. Zwar sind die Atommülltransporte durch unsere Stadt, die Giftmülldeponie und die Nitratbelastung des Grundwassers durch Gülle Themen, die kommunal nicht vollständig
gelöst werden können. Aber Ochtrup ist, entgegen anderslautenden Gerüchten, ein Teil dieser Erde. Diese Themen betreffen also auch uns alle hier als Bürger*innen dieser Stadt. Was kann denn die Kommunalpolitik hier vor Ort tun?
Anfangen könnte man, in dem man endlich die Informationen zum Klimaschutz auf der Website von Ochtrup bereitstellt. So wie es 2017 im Klimaschutzkonzept vereinbart wurde.
Die Verpflichtung zur Begrünung von Vorgärten sollte stärker kontrolliert werden und die Anlage in Neubaugebieten verboten werden. Die toten Steinwüsten, die man überall in Ochtrup vor den Häusern entdecken kann, tragen ihren Teil zum Insektensterben bei. Dabei sollte nichts einfacher sein, als ein kleines Stück eines Grundstücks verwildern zu lassen.
Wir brauchen klimagerechte Sanierungskonzepte für öffentliche Gebäude und eine Verkehrspolitik, die sich nicht darauf beschränkt, darüber nachzudenken wie mehr Autos auf dem Ochtruper Stadtgebiet unterwegs sein können. Nicht umsonst, sind wir davon überzeugt, dass Planungskosten für die Nordumgehung an anderer Stelle sehr viel besser eingesetzt werden könnten und haben daher die Streichung beantragt.

Im Hinblick auf den Weinerpark brauchen wir Konzepte für umweltschonende und klimagerechte Gewerbegebiete. Ansonsten werden riesige Flächen unwiederbringlich versiegelt und sind komplett für den Klimaschutz verloren. Und das sind nur einige Beispiele dafür was man auch kommunalpolitisch tun kann. Deswegen haben wir, als ersten Schritt in diese Richtung, eine volle Stelle für das Klimamanagement der Stadt beantragt und werden hartnäckig bleiben, was die Neubesetzung des Postens des Umweltschutzbeauftragten angeht, der sich um die Koordinierung des Umweltschutzes in Ochtrup kümmert. Denn es gilt die Verwaltung für diese essenziellen Aufgaben personell noch besser aufzustellen.

Neben der Umweltpolitik stehen wir auch im sozialen Bereich vor grundlegenden Fragen. Wie gestaltet sich das Leben, wenn wir uns wieder freier bewegen und treffen können? Hier kommen mit dem großen Potential, das sich uns erschließt, auch große Aufgaben auf uns zu.
Des Weiteren bietet sich ein breites Möglichkeitsspektrum hinsichtlich der Gestaltung der Integration und Inklusion. Ein Punkt, der auch zukünftig nicht an Bedeutung verliert.

Daher begrüßen wir es, dass unser Antrag für die Kostenübernahme von Prüfungen bei Integrationskursen auf dem kurzen Dienstweg direkt von der Verwaltung umgesetzt wurde.

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass auch politisch noch vieles auf uns zukommen wird.
Doch vorerst wünsche ich mir, dass das soziale Leben bald wieder Fahrt aufnimmt. Auf gute Zusammenarbeit und konstruktive Entscheidungen. Vielen Dank!

Sebastian Schoo (stellvertretender Fraktionsvorsitzender)

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